Datum: 04.08.2023

Kreis entwirft Strategiepapier, um mehr Menschen in Berufe zu vermitteln

Mit dem Ausbildungs- und Qualifizierungsbudget unterstützt das Land Hessen die 26 hessischen Landkreise. Voraussetzung dafür sind jährliche Zielvereinbarungen zwischen dem Ministerium für Soziales und dem Kreis, die in einer regionalen Ausbildungs- und Arbeitsmarktstrategie vorgelegt werden muss. Das hat der Hochtaunuskreis nun getan. In ihr beschreibt der Kreis Rahmenbedingungen und Strukturen, die den regionalen Arbeitsmarkt bestimmen und zeichnet Wege auf, wie es gelingen soll, benachteiligte Menschen in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zu integrieren. Ein weiteres wichtiges Thema darin sind Schritte, wie man dem Fachkräftemangel begegnen will. „Wir haben mit dem nun vorgelegten Bericht einen Leitfaden an der Hand, wie wir den Problemen auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt angehen wollen“, sagt Kreisbeigeordnete und Sozialdezernentin Katrin Hechler. Und noch etwas zeige das Strategie-Papier: „Es lohnt sich, um jeden Menschen zu kämpfen, so dass er eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufnehmen kann. Tun wir das nicht, droht der Hochtaunuskreis seine gute Ausgangsposition für eine wirtschaftlich gesunde Zukunft zu verspielen.“ Das Strategiepapier wurde in enger Abstimmung mit dem Kommunalen Jobcenter erstellt.

Der demographische Wandel wird in den nächsten Jahren dazu führen, dass mehr Menschen aus dem Erwerbsleben ausscheiden als nachbesetzt werden können. Gleichzeitig gibt es immer mehr Akademiker, die sich in der Tendenz eher für ein Studium als eine duale Berufsausbildung entscheiden. Entsprechend wird die Versorgung der lokalen Wirtschaft mit Arbeitskräften zu einer Herausforderung. Bis 2026 wird daher ein Mangel von 6.590 Erwerbstätigen prognostiziert. Dieser Mangel wird nahezu alle Berufsbereiche umfassen.

Um für die Zukunft gewappnet zu sein, nimmt die nun vorgelegte Ausbildungs- und Arbeitsmarktstrategie vor allem Jugendliche, Migrantinnen und Migranten sowie Langzeitarbeitslose und Ungelernte in den Fokus.

Jugendliche
Fast jeder zweite Schulabgänger oder Schulabgängerin im Hochtaunuskreis hat das Abitur in der Tasche. 14,3 Prozent verlassen die Schule mit einem Hauptschulabschluss. Doch zwei Drittel aller Schülerinnen und Schüler, die ohne Hauptschulabschluss abgehen, besitzen keine deutsche Staatsbürgerschaft. Die Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen hat sich im Kreis zwischen 2015 und 2021 aber um knapp 6 Prozent verringert, dennoch ist der Anteil der unbesetzt gebliebenen Lehrstellen leicht angestiegen. Im Hinblick auf den Fachkräftemangel ist es wichtig, das Interesse an einer dualen Ausbildung über alle Schulformen hinweg zu fördern. Klar ist aber auch, dass vor allem Jugendliche mit nichtdeutscher Staatsbürgerschaft Unterstützung benötigen.

Um die Schüler*innen schon früh, ab der 7. Klasse, für das Thema Berufswahl zu sensibilisieren, soll geprüft werden, ob sogenannte Schulkoordinatorinnen und Schulkoordinatoren“ eingerichtet werden können. Diese sollen eine thematisch breit gefächerte Beratung und Orientierung der Schülerinnen und Schüler übernehmen und gleichzeitig eine bessere Vernetzung der vorhandenen Angebote wie Übergangslotsen, Schulsozialarbeit und aufsuchender Beratungsarbeit in den Schulen anstreben.

Bei jungen Migrantinnen und Migranten und ihren Familien im Leistungsbezug sollen in der Übergangsphase von Schule zum Beruf die Vorteile einer Berufsausbildung gegenüber einer einfachen Helfertätigkeit beworben werden. Denn diese Zielgruppe startet häufiger ohne Ausbildung ins Berufsleben. Um dies zu verändern, sollen kultur- und geschlechtssensible Ansätze noch besser angewandt werden. Dabei sollen auch die Eltern mit ins Boot geholt werden, um sie von den Vorteilen einer Berufsausbildung ihrer Kinder zu überzeugen. Dabei kann auch eine (kultursensible) Beratung in Bezug auf Geschlechterrollen und Rollenbilder angeboten werden. Junger Menschen, die nach Beendigung der Schule keine berufliche Orientierung haben, wird ein individuelles Coaching angestrebt, das auch die Funktion der Kompetenzfeststellung und -entwicklung einschließen kann.

Um diesen Strategieansatz möglichst früh zu implementieren, strebt der Hochtaunuskreis den Ausbau von Betreuungseinrichtungen an. Besonders Ganztagschulangebote und Nachmittagsbetreuungen sollen ausgeweitet werden.

Doch um Menschen in Berufe zu vermitteln, ist es erforderlich, diese erst einmal zu erreichen. Hier ist vor allem das Kommunale Jobcenter gefragt. Es sollen daher aufsuchende Programme entwickelt werden, die die Menschen in ihrem Alltag erreichen. Ist der Kontakt hergestellt, soll er durch eine umfassende Beratung, gerne auch digital, intensiviert werden. Aufgabe des Kommunalen Jobcenters soll es auch sein, die Kompetenzentwicklung des Jugendlichen im Auge zu behalten. Dazu zählen Selbst- und Arbeitsorganisation, Arbeitstechniken, kommunikative Fähigkeiten und Digitalkompetenzen.


Migrantinnen und Migranten
Die Zielgruppe der Migrantinnen und Migranten wird als zweitrelevanteste für das Kommunale Jobcenter im Hochtaunuskreis eingeschätzt. Dabei sollte unterschieden werden, zwischen Migrantinnen und Migranten der ersten Generation sowie der zweiten oder dritten Generation. So können sich Maßnahmen für in Deutschland geborene Personen mit Migrationshintergrund eher an jenen für alle jungen Menschen orientieren. Bei denen der ersten Generation und hier insbesondere bei Geflüchteten, stehen andere Herausforderungen im Vordergrund. So gilt es bei ihnen, möglichst früh die in der Regel sehr hohe Arbeitsmotivation zu nutzen, um individuelle Kompetenzen festzustellen und Sprachkenntnisse zu vermitteln oder weiterzuentwickeln. Darauf aufbauend sollte möglichst schnell eine konkrete Berufsorientierung erfolgen. Als geeignete Berufsgruppen der Zielgruppe wurden die Gesundheits- und Pflegeberufe sowie die Bereiche Logistik oder Sicherheit und das Handwerk genannt.


Frauen
In Bezug auf Potenziale und Förderung von Frauen sind im Hochtaunuskreis verschiedene Themen relevant. Die hohen Lebenshaltungskosten führen dazu, dass viele Frauen trotz guter Beschäftigung aufstockende Leistungen beziehen müssen. Dabei sind zukünftig realistische Ansätze und Möglichkeiten zu entwickeln, um hierfür Lösungen anbieten zu können. Die Arbeitsmarktintegration von alleinerziehenden Frauen ist mitunter schwierig. Die Mitglieder der Gruppe besitzen zumeist eine hohe Motivation, die durch eine gute Betreuungsstruktur im Kreis gestärkt wird. Daher kommt der Weiterbildung und Nachqualifikation eine hohe Bedeutung zu. Aus diesem Grunde soll in Zukunft der Aufbau berufsbezogener und digitaler Kompetenzen fokussiert werden. Zudem gilt es bei älteren Frauen im Leistungsbezug Veränderungen im eigenen Rollenverständnis zu erreichen. Bei den Migrantinnen gibt es hingegen häufig Probleme mit der Anerkennung ausländischer Abschlüsse gibt. Diesen Hürden müssen reduziert werden, damit die Arbeitsmotivation und das große Interesse beispielsweise an Pflegeberufen nicht sinkt.


Langzeitarbeitslose und Ungelernte
Die vierte Gruppe, um die es geht, ist die der Langzeitarbeitslosen und Personen ohne Berufsausbildung. Viele Langzeitarbeitslose verfügen über eine mangelhafte Qualifizierung, gesundheitliche Einschränkungen oder eine nicht ausreichende Motivation, ein Beschäftigungsverhältnis aufzunehmen. Letzteres wird wie bei der Zielgruppe der Frauen durch die hohen Lebenshaltungskosten im Kreis verstärkt, die verhindern, dass Personen eine Beschäftigung mit niedrigem Entgelt ergreifen, da sie meist trotzdem aufstocken müssen. Hinzu kommt die Hürde von Familienverbünden, die generationenübergreifend Arbeitslosigkeit nicht überwinden können. Hier bedarf es der Zusammenarbeit mit anderen Akteurinnen und Akteuren wie beispielsweise Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter. Allerdings stehen oftmals datenschutzrechtliche Bestimmungen dem entgegen. Hierfür sollen in Zukunft Lösungen entwickelt werden. Außerdem sollen individuelle Beratungsansätze weiter ausgebaut werden.

Für Personen ohne Berufsausbildung gibt es durch die zunehmende Digitalisierung und Automatisierung immer weniger Helfertätigkeiten. Sie benötigen deshalb eine umfassende Kompetenzentwicklung, idealerweise eine fachliche Qualifizierung, so dass sie Fachkräfteaufgaben übernehmen können.


Anforderungen an das Kommunale Jobcenter
All diese Maßnahmen werden flankiert durch eine ständige Reflektion und Anpassung der Arbeitsweise des Personals im Kommunalen Jobcenter und der Verwaltung mit dem Ziel einer Effizienz- und Qualitätssteigerung. Dieser Prozess läuft bereits und hat erste Früchte getragen. So sollen durch eine Erhöhung der Transparenz bisherige Barrieren abgebaut und eine bessere Kommunikation mit den Bedarfsgemeinschaften und Kundinnen und Kunden, mit den anderen Fachbereichen der Kreisverwaltung, den Schulen, den externen Trägern und weiteren Akteurinnen und Akteuren im Kreis erreicht werden. Ziel ist es, den Kunden eine passgenaue Beratung zu geben, die die Bezugszeiten von Sozialleistungen effektiv verkürzt. Hierzu soll zu Beginn eine bessere Übersicht über die verschiedenen Angebote des Jobcenters geschaffen werden, damit gemeinsam ein Angebot ausgewählt werden kann.

Um die eigene Effizienz weiter zu verbessern, soll im Kommunalen Jobcenter eine bessere Übersicht über die verschiedenen Maßnahmen im eigenen Haus geschaffen werden. Außerdem soll der interne Austausch im Kreis ausgebaut werden. Gerade die Fachbereichs- und sachgebietsübergreifende Betreuung von Leistungsbezieherinnen und Leistungsbeziehern bietet ein großes Potenzial, das bisher noch nicht voll ausgeschöpft wird. Gleiches gilt für die Kooperation mit externen Akteurinnen und Akteuren der aufsuchenden Sozialarbeit und Schulen, die es auszubauen gilt. Die Träger, die Maßnahmen im Auftrag des Kommunalen Jobcenters ausführen, sollen ihre Arbeit auf eine valide Datengrundlage zu stellen, sie sollen auf den Fachkräftemangel sensibilisiert werden, um auch künftige Problemlagen in den Blick nehmen zu können.

Besonders im Fokus soll in den kommenden Jahren eine intensivere Zusammenarbeit mit den Sprachschulen stehen, da der Bedarf nach Sprachvermittlung im Kommunalen Jobcenter in den vergangenen Jahren stetig zugenommen hat und der Spracherwerb eine wichtige Grundlage für weiterführende Maßnahmen bildet.


Fazit
„Auf der Basis der nun vorliegenden Informationen werden wir die Beratungskapazitäten des Kommunalen Jobcenters deutlich anheben, um Jugendlichen, Migrantinnen und Migranten sowie Langzeitarbeitslose und Ungelernten möglichst passgenaue Jobangebote unterbreiten zu können“, zieht Kreisbeigeordnete Katrin Hechler das Fazit. Dabei nimmt sie auch das Jobcenter selbst in die Pflicht: „Wir müssen bessere Übersichten über bestehende oder neu zu entwickelnde Programme und Maßnahmen anlegen, damit möglichst schnell das Richtige für Kundinnen und Kunden gefunden werden können. Denn je eher wir Menschen in den Arbeitsmarkt bekommen, umso eher entlassen wir die öffentlichen Kassen und stärken die heimische Wirtschaft. Dafür sollten wir die Kräfte aller beteiligten bündeln.“

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